Page 45 - handbuch
P. 45
Hintergrund und Geschichte
Dem Müller ging insbesondere im Mittelalter der Ruf der Unehrlichkeit voraus, der durch den
Mühlenzwang noch verschärft wurde. Oft wurde er als Betrüger und Mehlverschlechterer
verleumdet; dies brachte dem Müller eine soziale Außenseiterstellung ein. Die Landesherren
sahen sich durch Beschwerden der Mahlgäste (Mahlkunden) veranlasst, einzuschreiten und
Mühlenordnungen zu erlassen, die Teil des Landrechts waren. Diese Mühlenordnungen enthielten
strenge Regeln über Rechte und Pflichten des Müllers. So wurde unter anderem geregelt, wie groß
der Anteil des Müllers am Mahlgut als Lohn für das Mahlen zu sein hatte.
Das heute noch gebräuchliche Sprichwort »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!« hat seinen Ursprung
im Sachsenspiegel des Eike von Repgow und war eine demokratische Regel im Mittelalter. Sie
besagte, dass auch Fürsten an einer Mühle keinen Vorzug bekommen, sondern die Mahlgäste der
Reihe nach bedient werden.
Mühlenfrieden
Der Mühlenfrieden oder Mühlfrieden stellte Mühlen bzw. das Mühlengebäude im Mittelalter
unter einen besonderen Rechtsschutz. Die damaligen Rechtsbücher zählten die Mühlen
ausdrücklich zu den befriedeten, gegen jede Gewalttat geschützten Sachen.
Hintergrund
Zerstörung oder Diebstähle am Getreide oder an der Einrichtung der Mühle wurden mit besonders
harten Strafen geahndet, da die Mühlen für die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung von
besonderer Bedeutung waren. Der Sachsenspiegel, eines der ältesten Rechtsbücher des deutschen
Mittelalters, sah beispielsweise als Strafe wegen Friedensbruchs den Tod durch Rädern vor.
Der Mühlenfrieden gewährte gleichzeitig Flüchtigen einen sicheren Verbleib im Mühlengebäude,
ähnlich wie Kirchen Verfolgten vorübergehend zum Kirchenasyl dienen konnten. Personen, die
sich in eine Mühle geflüchtet hatten, durften nicht mit Gewalt herausgeholt werden, damit die
Mühle nicht durch Gewalthandlungen Schaden nehmen konnte.
44

